FRAG NO-NAZI.NET: IN EINEN NAZI VERLIEBT?


20. August 2012 TanjaKeller 0 Comment

Der Fall um die olympische Ruderin Nadia Drygalla hat mal wieder die Diskussion auf eine wichtige Frage gelenkt:

Was soll ich machen, wenn ich mich in eine*n Nazi verliebt habe? Kann man mit Nazis befreundet oder gar in einer Beziehung zusammen sein und trotzdem neutral bleiben? 

“Wo die Liebe hinfällt”… kann man vielleicht nicht so gut beeinflussen. Immerhin geht es bei der Liebe um Emotionen und weniger um den Kopf. Dass man sich in eine*n Nazi verguckt ohne es zu wollen, kann durchaus passieren. Insbesondere, wenn er oder sie eigentlich ein netter Mensch ist und erst auf den zweiten Blick seine/ihre menschenfeindliche Haltung offenbart. Dennoch sollte man genau hinsehen, mit wem man eine langfristige Freundschaft oder Beziehung aufbaut!

Vermutlich verzweifelt man irgendwann daran, dass der Partner oder die Partnerin derartige Einstellungen hat. Vielleicht hofft man, das beeinflussen und ändern zu können. Doch gerade bei geschulten Neonazi-Kadern ist es sehr schwierig bis unmöglich, die festgefahrene Einstellung zu verändern. Klar kann man in einer Partnerschaft viele Kompromisse eingehen und dem Partner/der Partnerin beistehen, zur Beratung gehen, Hilfe anbieten, etc.
Bei unterschiedlichen Lebens- und Denkweisen wird es ab einem gewissen Punkt schwierig, dies zu vereinbaren. Es führt sicherlich zu vielen Streitereien und im schlimmsten Fall noch dazu, dass man sich von der rassistischen Denkweise beeinflussen lässt. Denn wenn jemand so tief in der Neonazi-Szene verankert ist, dass er oder sie sich damit direkt identifiziert, wird dies in jeder Lebensäußerung deutlich. Wie sollte es auch anders sein – mit soviel Fremdenhass und Menschenverachtung  im Herzen?

Wir nehmen viele Dinge hin, wenn Liebe im Spiel ist und fangen manchmal auch an, Dinge zu glauben, die wir ursprünglich nicht hinnehmen wollten. Es kann also durchaus sein, dass man anfängt, gewisse Standpunkte der Nazi-Partners oder der Nazi-Freundin zu rechtfertigen – auch wenn eine*m das im ersten Moment noch völlig absurd erscheint.

Man sollte sich auf jeden Fall auch fragen, ob es für eine*n selbst ok wäre, einen Menschen zu lieben oder mit einem Menschen befreundet zu sein, der/die eine*n selbst oder andere aufgrund der eigenen Einstellung oder Herkunft bei passender Gelegenheit schlagen oder töten würde. Mit welchen Augen sieht er/sie dich denn? Wann dreht sich der Spieß dann wohl für dich? Nazi-Sein hat viel mit Willkür zu tun. Was, wenn sich die gewaltverherrlichende Einstellung auch in der eigenen Beziehung wiederspiegelt und er/sie handgreiflich wird?

Und wie gestaltet man die (gemeinsame) Kindererziehung?

Wenn man alt genug ist, stellt sich in einer Beziehung meist irgendwann die Frage nach Kindern. Und da wird’s dann richtig komplex!

Will ich, dass mein Partner/meine Partnerin meinen Kindern seine/ihre menschenverachtende Ideologie vermittelt? Sollen die Kinder an Neonazi-Camps teilnehmen? Welche Bücher kriegen die Kinder zu lesen? Dürfen sie mit jedem Kind spielen, wie sie möchten oder schränkt der Neonazi-Vater oder die Neonazi-Mutter ein, wen das Kind treffen darf? All diese Fragen werden spätestens dann relevant.
Doch schon viel früher geht es in einer Beziehung vor allem darum: Wie geht der Mensch, den ich liebe, mit anderen Menschen um? Und kann ich das mit meiner eigenen Einstellung vereinbaren?

Übrigens, die Idee von “Kein Sex mit Nazis” zielt mit Absicht auf einen ganz konkreten Punkt in der Neonazi-Szene: Die männlich dominierte Szene hat einen akuten Frauenmangel. Und für junge Männer wird eine politische Einstellung oft unattraktiv, wenn sie die Einstellung den Zugang zum anderen Geschlecht verwehrt.
Wenn Männer mit Nazi-Einstellungen für Frauen (und Nazi-Frauen für Männer) unattraktiv bleiben, hat ihre menschenfeindliche, rassistische und sexistische Sicht auf die Welt weniger Überlebenschancen.

Deshalb – KEIN SEX MIT NAZIS! Und wenn ihr euch erst nach dem Verlieben darüber klar werdet, dass ihr eine*n Neonazi vor euch habt, lasst euch am besten bei einem Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus beraten, wie ihr am besten da wieder raus kommt. Ihr müsst das Problem nicht allein lösen!

Text von Anna Groß