DOSSIER: RASSISTISCHE HETZE GEGEN FLÜCHTLINGE


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“Nein zum Heim!” – Ob Schneeberg, Plätz, Marzahn-Hellersdorf, Greiz oder Königs Wusterhausen: In vielen Kleinstädten Deutschlands und im Netz läuft die Hetze gegen Flüchtlinge derzeit auf Hochtouren. Die Angriffe auf Unterkünfte Geflüchteter nehmen zu. Aber wer sind eigentlich diese “Flüchtlinge”? Woher kommen sie? Was machen sie in Deutschland? Und vor allem: Warum ist der Umgang mit diesem Thema so schwierig, die Diskussion on- und offline so sehr von Vorurteilen und Hass geprägt? Das no-nazi.net-Dossier klärt auf.

 

Was ist ein “Flüchtling”?

Flüchtlinge oder auch “Geflüchtete”, Asylsuchende oder “Refugees”, wie sie sich selbst häufig nennen, sind Menschen, die aus verschiedenen Gründen nicht in ihren Heimatländern leben können oder wollen. Häufig wird – in der rechten Rhetorik sowie unsensibler Berichterstattung durch Lokalpresse und -politik – von den Flüchtlingen geredet wie von Objekten. Sie selbst werden zur Ursache des Problems gemacht. Neonazi-Hetze, rassistische Bürger*innenproteste und überforderte Politiker*innen ergeben zusammen eine Mischung, unter der vor allem die Asylsuchenden zu leiden haben. Der eigentliche Kern des Problems, nämlich die angemessene Gewährleistung des Grundrechts auf Asyl, wird kaum thematisiert.

Dieser Facebook-Screenshot demonstriert, wie groß die Ablehnung und der Hass in Teilen der Bevölkerung ist. Menschen, die in Deutschland aus verschiedenen Gründen Asyl suchen werden hier pauschal als “faules Pack” und “Schmarotzer” beschimpft. Die Stimmung schaukelt sich im Netz besonders schnell hoch…

 

Der Alltag von Flüchtlingen: Unsicherheit, Angst, Kampf mit rassistischen Vorurteilen

Paula Bullig hat ein
halbes Jahr in Asylunterkünften
in Sachsen-Anhalt
recherchiert – und ihre
Erfahrungen im Graphic
Novel “Im Land der
Frühaufsteher” festgehalten.

Stattdessen richtet sich der Unmut gegen die Geflüchteten. Menschen, die, teilweise von den Erfahrungen in ihren Herkunftsländern oder den Ereignissen der langen, lebensbedrohlichen Flucht, traumatisiert und unzureichend medizinisch und psychologisch versorgt sind. Menschen, die Angst haben. Angst vor einer Abschiebung in ihre Heimat, Angst vor den Zuständen in überfüllten Flüchtlingslagern – und nun auch noch: Angst vor Gewalterfahrungen in dem Land, von dem sie sich Schutz erhofft hatten.

“Wie Rassismus auch tötet
– Suizid in Eisenhüttenstadt”.
Über den Selbstmord des
jungen Manns “Djaama”
aus Angst vor
seiner Abschiebung

Hinzu kommt die Ablehnung aus Teilen der Bevölkerung. Auch heute findet man immer noch (und wieder immer häufiger) typische Parolen der 1980er und 1990er Jahren in den Debatten zur Flüchtlingspolitik. Der überstrapazierte und längst als populistische Hetze enttarnte Satz “Das Boot ist voll” erfreut sich vor allem online neuer Beliebtheit. Man redet von “Asylantenflut” oder “Asylbetrug” – mit diesen Vorurteilen und rassistischen Ressentiments müssen die Flüchtlinge Tag für Tag kämpfen. Immer wieder tragen auch hochrangige Politiker*innen Vorurteile gegen Geflüchtete in die Öffentlichkeit und fördern somit das angespannte Klima in der verunsicherten Bevölkerung.

 

… und es dauert nicht lange, und auf der Seite der “Bürgerinitiative Mahrzahn-Hellersdorf” fordert jemand die Wiederholung von Rostock-Lichtenhagen.

 

Rassistische Hetze im Netz und ihre Offline-Folgen

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Genau dort setzen NPD und andere rechte Parteien und Gruppierungen an: Sie nutzen Ängste und Vorurteile der Gesamtgesellschaft und versuchen, diese mit ihren rassistischen Parolen und ideologischen Zukunftsvisionen zu unterfüttern und sich selbst als einzige “Lösung” aus der Misere zu verkaufen. Wo Pläne zur Einrichtung einer neuen Unterkunft für Geflohene auftauchen, formiert sich schnell Widerstand – auch im Netz. Der Widerstand einer gefährlichen Allianz aus Bürger*innen und Rechtsextremen. Das Internet und gerade das Soziale Netzwerk “Facebook” spielen dabei eine wichtige Rolle. Auf selbst gegründeten Facebook- Seiten und in entsprechenden Gruppen wird der Protest koordiniert und Stimmung gemacht. Hinter diesen vermeintlichen Bürgerinitiativen sind meist die NPD oder andere Akteur*innen der extremen Rechten zu vermuten, rassistische Stimmen sind aber auch aus der gesellschaftlichen Mitte zu vernehmen.

Flüchtlinge, Rassismus und die NPD – Ein Überblick – Teil 1 

und Teil 2

“Kennst du das Sonnen-
blumenhaus in Rostock-
Lichtenhagen?” Eine
Rückschau 20 Jahre
nach dem Anschlag
in Mecklenburg-Vorpommern

Die rassistische Hetze beschränkt sich dabei jedoch nicht nur auf verbale Ausgüsse im Internet. In mehreren Städten wurden Brandanschläge und körperliche Angriffe gegen Flüchtlinge gemeldet. Die Zahl rechtsextremer Angriffe auf Flüchtlingsheime hat sich 2013 nahezu verdoppelt. Es gründen sich immer mehr “Bürgerinitiativen”, die gegen Flüchtlingsunterkünfte mobil machen. Besonders beunruhigend sind dabei die vielfältigen Verweise auf “Hoyerswerda” und “Rostock-Lichtenhagen”. Diese beiden Städte stehen stellvertretend für die gewalttätigen Ausschreitungen gegen Flüchtlingsunterkünfte in der 1990er Jahren.

 

Der “Kern des Problems” – das Asylrecht

Frag nnn: „Flüchtlinge vor dem
Brandenburger Tor – warum?“
Über die “Quasi-Abschaffung”
des Asylrechts und die Lebens-
situation von Flüchtlingen
in Deutschland

Gerade diese Ausschreitungen sind jedoch mit verantwortlich für das derzeitige Dilemma. Anstatt den Schutz für Flüchtlinge auszuweiten, wurde 1993 das Asylrecht verschärft. Durch die sogenannte “Drittstaatenregelung” haben Asylsuchende, die über einen sogenannten “sicheren Drittstaat” (und dazu zählen alle Mitgliedstaaten der EU, Schweiz und Norwegen) einreisen, in Deutschland keinen Anspruch auf Asyl. Wenn man sich die Karte von Deutschland anschaut stellt man fest: Wir sind von lauter “sicheren Drittstaaten” umgeben. Asylverfahren können so von der Bundesrepublik einfach “ausgelagert” werden.

Rassistische Hetze stoppen – aber wie?

Viele rassistische Vorurteile und Einstellungen entstehen schlichtweg aus einer Unwissenheit über die Situation von Flüchtlingen in Deutschland. Daher ist es wichtig zu wissen, wie eigentlich geflüchtete Menschen in der Bundesrepublik leben und welche Rechte sie (nicht) haben. Auf der Internetseite der Initiative “Hellersdorf hilft” unter der Rubrik “Häufig gestellte Fragen” findet ihr Fragen & Antworten rund um die Themen Asylsuchende, Asylgesetze sowie Anlaufstellen, wenn ihr euch selber für die Rechte von Flüchtlingen einsetzen wollt.

Fakten gegen Vorurteile

Den leider nicht nur sprachlichen Eskalierungsversuchen durch Rechtsextreme begegnet man am besten mit Versachlichung: Viele der vermeintlichen Argumente, die von Neonazis gegen Asylsuchenden gerne angebracht werden, lassen sich leicht entkräften – einige Beispiele.

Auch online könnt ihr euch engagieren. Versucht zum Beispiel, in entsprechenden Foren und Gruppen mitzudiskutieren und “Kontra” zu geben, um zu zeigen, dass die Nazi-Parolen gegen die Flüchtlingsheime keine Mehrheitsmeinung sind. Auch bei Kundgebungen gegen Heime ist es wichtig, ein Zeichen zu setzen – geht zu Protesten gegen rechte Aufmärsche oder organisiert eigene Demos. So ermüdend und mühselig es ist: Es bleibt wichtig, sich klar zu positionieren. Gegen rassistische Hetze gegen Flüchtlinge und für einen menschenwürdigen Umgang miteinander.