DOSSIER NEONAZI-ARCHETYPEN UND -VORLIEBEN


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Von veganen Nazis, Biobäuer*innen und Autonomen  über Islamhasser*innen und Black-Metal-Fans bis hin zu den klassischen Springerstiefelträger*innen: Neonazis und ihre virtuellen Profile sind genau so unterschiedlich wie alle anderen Menschen und deren Internetpersönlichkeiten. Doch es gibt diverse Merkmale, szenetypische Codes, Symbole oder gemeinsame menschenfeindliche Interessen, an denen man “Typen” von Neonazis erkennen kann. no-nazi.net stellt euch in diesem Dossier eine Auswahl rechtsextremer Archetypen und Vorlieben vor.

Wenn man sich auf einer rechtsextremen Demo umschaut, sieht man oft Gruppen von Menschen, die ähnlich gekleidet sind, ihre Frisuren oder Glatzen als Erkennungszeichen tragen und die gleichen Banner mit identischen Sprüchen tragen. Diese äußeren Merkmale und die innere Einstellung geben ihnen Zusammenhalt und sorgen dafür, dass sie sich als Gruppe einander zugehörig fühlen. Trotzdem sind es Menschen mit unterschiedlich starker Ideologie und unterschiedlich ausgeprägten Überzeugungen. Auch im Internet spielen diese repräsentativen Merkmale eine große Rolle. Neonazis wollen sich dadurch klar positionieren, isolieren und inszenieren, um sich von Anderen abzugrenzen und um Angst zu schüren. Darum spiegelt auch das Netz verschiedene Ausdrucksformen rechtsextremen Gedankenguts wider – allerdings häufig stärker stilisiert und oftmals extremer. Denn die scheinbare Anonymität des Internets erlaubt ihnen, ihre Ideologie stärker auszuleben. Genau das macht diese “Parallelwelt” auch so gefährlich – hier können Neonazis oftmals unbehelligt von Polizei und Behörden ihr eigenes rechtsextremes Universum aufbauen und sich gegenseitig in ihren Überzeugungen bestärken.

ARCHETYPEN

Neonazis und Menschen mit rechtsextremer Ideologie identifizieren sich häufig mit verschiedenen Idealtypen, Erkennungsmerkmalen und Marken, kommunizieren über Symbole, Codes und Kleidung. Darüber hinaus verraten die “Gefällt-Mir”-Angaben von rechten, rechtsextremen und rechts-offenen Menschen einiges über ihr Verständnis von der Welt. Das heißt nicht, dass jemand, der Rammstein hört, Nazi ist, und es heißt auch nicht, dass Rammstein eine rechtsextreme Band ist, weil sie von Neonazis gehört wird. Wir wollen in diesem Dossier nur versuchen, eure Aufmerksamkeit für bestimmte Anzeichen rechter Ideologie zu schärfen. Wir haben hier also verschiedene “Archetypen” von Menschen mit rechtem Gedankengut zusammengestellt, mit denen ihr im Netz – in Misch- und Teilformen – konfrontiert werden könntet.

Autonome Nationalist*innen

Spaß, Widerstand, Rebellentum: Der Auftritt der “Autonomen Nationalist*innen” in den Sozialen Netzwerken spiegelt ihre Affinität zu jugendkulturellen Szenecodes sowohl in ihren Selbstinszenierungen als auch in Grafiken und Videos wieder. Dabei ist besonders erschreckend, wie werbewirksam und professionell die Grafiken und Videos der “Autonomen Nationalist*innen” gestaltet sind. Filme, die Aufmärsche stilisieren und zeitgemäße, popkulturelle Anleihen sorgen für Assoziationen, die sich im Bereich frisch, jung, hip und cool bewegen und damit auf den ersten Blick oft nicht als rechtsextrem zu erkennen sind. Eher martialisch wirken die Profilbilder: Vermummt mit Mundtuch, Sonnenbrille und Baseballkappe wird die Zugehörigkeit zum “nationalen schwarzen Block” demonstriert. Mehr über den Netz-Auftritt hier.

Neonazistische Rechtsextreme

Neonazistische Rechtsextreme sind die traditionellen Vertreter*innen des Rechtsextremismus. Sie äußern sich auch im Internet meist mit einer großen Offenheit, die an ihrer Ideologie nichts zu deuten übrig lässt. Profile von neonazistischen Rechtsextremen strotzen vor rechtsextremen Codes, rechtsextremer Symbolik, NS- und Gewaltverherrlichung. Rechtsextreme Musik wird verbreitet, NS-Größen werden zitiert. Überhaupt nutzt der typische neonazistische Rechtsextreme jede Möglichkeit, seine Gesinnung zu verbreiten – vom Arbeitgeber (z.B. “Gasmann im KZ”) über die politische Einstellung (zwischen “kronroyal” und “nationalsozialistisch”) bis zu den Gruppen (“Odins Horde”, “Deutsches Reich”, “Laut gegen Linke”, “Rache für Hess”), die er mag. Alles über den “Archetyp Neonazi im Netz” lest ihr hier.

Rechtsextreme Verschwörungstheoretiker*innen

Verschwörungstheoretiker*innen sehen an jeder Ecke die Entstehung der New World Order (NWO). Damit ist die Herrschaft einer imaginierten Elite über die restliche Weltbevölkerung gemeint. Diese Elite besteht dann – je nachdem, welcher Theorie man folgt – aus den Bilderbergern, der Wall Street, dem militärisch-industriellen Komplex, der Trilateralen Kommission, der CIA, den Freimaurern oder den Illuminaten. Der Plan dieser Verschwörung ist im Groben jedoch immer gleich und entspricht dem, was auch in den fiktiven Protokollen der Weisen von Zion zu finden ist: antisemitische Wahnvorstellungen einer jüdischen Weltherrschaft. Die Bilderberger, CIA und Co. sind dabei Chiffren für “die Juden” oder “Handlanger-Organisationen” eben dieser. Diese antisemitische Wahnvorstellung haben schon die Nationalsozialist*innen verfolgt. Verschwörungstheoretiker*innen organisieren und verbreiten sich heute hauptsächlich über das Netz. Wie sie das tun, erfahrt ihr hier.

Islamhasser*innen

Die “islamkritische” Bewegung ist keine geschlossene Gruppe und die Vorbehalte gegenüber dem Islam und den Muslim/innen sind in der Gesellschaft stark verbreitet. Entsprechend akzeptiert und verbreitet ist das Thema auch im Internet. Neben populären Internetseiten wie “Politically Incorrect” gibt es in den Sozialen Netzwerken zahlreiche entsprechende Gruppen mit Namen wie “Islamisierung – nein danke”, “Der Islam gehört nicht zu Deutschland”, “Schluss mit dem Multikulti-Wahn”. Sie dienen als eine Art Nachrichtenstream, in welchem die Nutzer/innen stetig die neusten Meldungen zur imaginierten Revolution des Islams in Europa oder dem angeblichen Zerfall der europäischen Kultur sammeln. In Kommentaren bestätigt man sich gegenseitig, wie schlimm die Lage sei und wie verkommen Gesellschaft und Regierung sind. Mehr darüber lest ihr hier.

Rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien

Rechtsextreme Parteien nutzen die Sozialen Netzwerke sehr intensiv, um für die eigene Sache zu werben. Der Facebook-Auftritt der NPD kann als sehr professionell bezeichnet werden. Funktionär*innen, Unterorganisationen und verschiedene Ländergruppen unterhalten Profile und Seiten, die gut miteinander vernetzt sind und aktuell betreut werden. Von der offen rassistischen und antisemitischen Hetze auf den Parteitagen der NPD ist auf den Facebook-Seiten der Organisation nichts zu finden. Man möchte auch die “Mitte der Gesellschaft” ansprechen und gibt sich bürgerlich – doch die Links, Gefällt-Mir-Angaben und Verweise der rechtspopulistischen und -extremen Netzauftritte auf- und untereinander bilden ein geschlossenes Netz rechtsradikaler Einstellungen. Mehr dazu hier.

NSBM und Nordischer Kult

NSBM steht für “National Socialist Black Metal” und ist eine Strömung innerhalb der Black-Metal-Szene, die sich durch Bezüge zum Nationalsozialismus auszeichnet. Die NS-Zeit wird okkult-esoterisch verklärt und Nordische Mythologie und Blut-und-Boden-Ideologie spielen eine wichtige Rolle. Anhängerinnen und Anhänger fantasieren sich aus diesen Ideen eine angebliche “arischen Vorherrschaft” über andere Menschen zusammen. Im Netz ist dieser Archetyp besonders in Musikforen zu finden und an Zurschaustellung typischer Merkmale, Tätowierungen, Sagengeschichten- und bildern zu erkennen. Mehr darüber erfahrt ihr hier.

Rechtsextreme Frauen

Zunächst einmal mag es verwundern, “Frauen” als eigenen Archetyp aufzunehmen. Schließlich teilen sich rechtsextreme Mädchen und Frauen  mit rechtsextremen Männern die Ideologie, hören die gleiche Nazi-Musik, engagieren sich für die gleichen Parteien und Organisationen. Aber es gibt auch Besonderheiten beim virtuellen Auftritt rechtsextremer Frauen, die zeigen, wie Nazi-Frauen sich selbst sehen und sehen wollen. Das liegt im Besonderen an der starken Trennung von “männlich” und “weiblich” in der rechtsextremen Ideologie. Nazi-Männer geben sich, wenn sie einen Nickname verwenden, fast ausschließlich kämpferisch-aggressive Namen. Bei “Nazi-Mädchen” gibt es zwei verschiedene Stilrichtungen. Die einen versuchen, sich besonders martialische Namen zu geben, um das typische Weiblichkeits-Bild zu durchbrechen: Sie nennen sich “Krawall Mietze”, “Zahnfee88″, “Froilein TerrorZicke” oder “Berliner Weisse mit Schuss”. Die anderen nehmen das klischeehafte Frauenbild auf, das die rechtsextreme Szene besonders pflegt – und spiegeln auch, dass Nazi-Frauen von ihren “Kameraden” sexistisch abgewertet werden, indem sie sich selbst herabsetzend bezeichnen:  “88schnitte”, “Sleipweib”,”Gehmabierholn91″ oder “Gestiefeltes Mäuschen”. Mehr zum umfassenden Thema “Rechtsextreme Frauen” lest ihr hier und hier.