DIE DEUTSCHE BURSCHENSCHAFT – KULTURELLES ERBE ODER SAMMELBECKEN DER RECHTEN?


24. Mai 2013 TanjaKeller 0 Comment

Ein gespenstisches Bild in Eisenach: Hunderte uniformierte, die das “Lied der Deutschen” in all seinen Strophen singen, dabei mit Fackeln marschieren. Vom 23. bis 26. Mai 2013 findet dort wieder der sogenannte Burschentag statt. Ein prächtiges Denkmal erinnert in Eisenach zum einen, an gefallene Burschenschaftler im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 und zum anderen an die Reichseinigung des deutschen Kaiserreichs 1871.

Die letzten Jahre sorgte dieses umstrittene Zusammentreffen des Dachverbandes der Deutschen Burschenschaft für viel Trubel und Protest. Auch dieses Wochenende kündigt sich antifaschistischer Protest an!

Was ist eine Burschenschaft überhaupt? Warum tragen sie so komische Klamotten? Was hat das alles mit Eisenach zu tun? Und warum dagegen protestieren?

 

Wer, wie, was? Wieso, weshalb, warum?

Schülerkorporationen, Damenverbindungen, Corps, Burschenschaft, Sängerschaft, Turnerschaft, Katholische Verbindungen…Puhh! Die Landschaft der studentischen Organisationen ist verwirrend! Wichtig festzuhalten ist, dass nicht alle Verbindungsstudenten Burschenschaftler sind, obwohl die Begriffe “Verbindung“ und “Burschenschaft“ oft fälschlicherweise synonym verwendet werden. Eine Burschenschaft ist nur eine Art von Studentenverbindungen. In Deutschland gibt es ungefähr 1.000 Studentenverbindung, davon sind nur etwa 140 Burschenschaften. Die verschiedenen Arten der Studentenverbindungen haben zwar einige Gemeinsamkeiten dennoch unterscheiden sie sich auch in vielem, deshalb ist es wichtig sich das alles differenziert anzuschauen. In einem weiteren Artikel wollen wir demnächst versuchen mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Heute wollen wir aber die Aufmerksamkeit aus aktuellem Anlass auf die Deutsche Burschenschaft legen.

“Ehre, Freiheit, Vaterland“

Die meisten Burschenschaften sind im Verband Deutsche Burschenschaft (DB) organisiert. Dieser hat 15.000 aktive Mitglieder, im Verband Neue Deutsche Burschenschaft (NDB) sind 4.000 Mitglieder organisiert. Burschenschaften verstehen sich – im Unterschied zu anderen Studentenverbindungen – als explizit politische Organisationen. Politisch bezieht man sich viel mehr auf die Themen des Wahlspruchs “Ehre, Freiheit, Vaterland“ als auf Parteien. Dieser Nationalismus kann radikal oder gemäßigt sein, aber die völkische Ideologie und der Nationalismus waren schon immer fester Bestandteil der Bewegung.

In manchen Städten mehr, in manchen weniger!

In vielen traditionellen Studentenstädten wie Jena, Heidelberg, Göttingen oder Tübingen stehen einige prachtvolle Verbindungshäuser. Im allgemeinen Stadtbild gibt es dort nicht nur viele Student*innen sondern auch Viele die “korporiert”, also in Verbindungen sind, meist besonders wenig Miete zahlen, altertümliche Kostüme und Trachten tragen und Rituale pflegen. Burschenschaften sind immer farbentragend d.h, dass eine bestimmte Farbenkombi an Hut und “Schärpe” ihre Zugehörigkeit zur jeweiligen Burschenschaft zeigt. Diese Zugehörigkeit funktioniert nach einem Lebensbundprinzip: einmal Burschi, immer Burschi!

Burschenschaften sind überwiegend schlagend, das bedeutet, dass sie “Mensur” (“Das Blutopfer“) Fecht- Turniere veranstalten, die ritualisiert mit scharfen Klingen seit langer Zeit zur Tradition der Burschen gehören. Die Mensur hat aber wenig mit dem Sportfechten zu tun, sie gilt stattdessen als Aufnahmeritual und die Wunden als Beweis der Männlichkeit und gegen die Verweiblichung. Eine ähnliche Bedeutung hat das Alkohol-Trinken bei Burschen. Was als fröhliches Trinkgelage erscheint, ist oft nur der Befehl zur Selbstüberwindung, Unterwürfigkeit und zum Beweis des Durchhaltevermögens.

Burschentag in Eisenach: Was soll denn das?

Die Kleinstadt in Thüringen ist nicht zufällig der Treffpunkt des alljährlichen Burschentag des Dachverbandes “Deutsche Burschenschaft”. Denn über der Stadt thront die Wartburg, die für den Nationalismus der Burschenschaftler eine wichtige Rolle spielt. Nach den Deutsch-Französischen Befreiungskriegen erwuchs im zersplitterten Deutschland eine junge Bewegung von Studenten mit der Hoffnung auf nationale Einigung. Im Krieg waren viele dieser Studenten in einem Freiwilligenverband der preußischen Armee, dem “Lützwoschen Freikorps”. Studenten der Universität Jena gründeten 1815  die sogenannte “Urburschenschaft”, um ihre Bestrebungen nach einem geeinten Nationalstaat an die Universität zu tragen.

Nachdem Luther auf der Wartburg im 16. Jahrhundert die Bibel ins Deutsche übersetzte, feierten nationalgesinnte Studenten dort 1817 ein riesiges Fest. Dort versammlten sich über 500 Studenten, um zwei Jahrestage zu zelebrieren: den vier Jahre zuvor errungenen Sieg über Napoleon, sowie den 300. Jahrestag des Lutherschen Thesenanschlags. Zum schaurigen Höhepunkt des Festes wurde die Verbrennung von verschiedenen Schriften jüdischer und französischer Autoren in antifranzösischer und antisemitischer Absicht. So brannten dort symbolisch der Code Civil (das französische Gesetzbuch) oder Werke von Saul Asher, einem deutschen jüdischen Schriftsteller.

Heinrich Heine, als kritischer Zeitzeuge der Geschehnisse äußerte sich 1840 folgendermaßen dazu:  ”Auf der Wartburg krächzte die Vergangenheit ihren obskuren Rabengesang, und bei Fackellicht wurden Dummheiten gesagt und getan, die des blödsinnigsten Mittelalters würdig waren! (…) Auf der Wartburg herrschte jener beschränkte Teutomanismus, der viel von Liebe und Glaube greinte, dessen Liebe aber nichts anderes war als Haß des Fremden und dessen Glaube nur in der Unvernunft bestand, und der in seiner Unwissenheit nichts Besseres zu erfinden wußte als Bücher zu verbrennen”
„Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.”

Die Bewegung war von Anfang an nationalistisch, völkisch, militaristisch, antisemitisch und männerbündisch organisiert. Und bis heute nehmen die Burschenschaften nur männliche, “Deutsche” auf, auch der Wehrdienst ist manchmal noch Pflicht. Was letztes Jahr Schlagzeilen machte, war die interne hitzige Debatte auf dem Burschentag zum “Ariernachweis”: Denn die Burschen scheinen sich nicht einig zu sein, wie deutsch man sein muss um Bursche zu sein. Reicht es, Patriot zu sein? Oder Nationalist? Oder braucht es eine “arische” Familiengeschichte? Dieser Streit führte im vergangenen Jahr zu einer heftigen Auseinandersetzung im Dachverband, in dessen folge sich liberale Burschenschaften zurückzogen (siehe Spiegel Online Artikel). Auch dieses Jahr werden die Burschen noch darüber diskutieren.

Rechtsextrem? Rechtskonservativ? Ewig gestrig?

Aktive Rechtsextremisten in Burschenschaftlichen Verbindungen sind zwar eine Minderheit und auch nur vereinzelt sind Burschenschaften zu Beobachtungsobjekten von Verfassungsschutzbehörden geworden. Trotzdem ist das Spektrum vor allem nach rechts offen, Übergänge sind fließend und gute Beziehungen zur extremen Rechten werden durch personelle und thematische Überschneidungen gepflegt. Zu beobachten ist aber, dass Korporierte immer wieder als intellektuelle Meinungsmacher und Funktionselite in der Rechten auftauchen. Im Brücken-Spektrum zwischen rechtskonservativ und rechtsextrem verstehen sich die Burschenschaftler als elitäre Avantgarde und bieten so eine akademische Rückendeckung für extrem rechte Positionen, was sie durchaus gefährlich macht. Burschenschaften sind und waren schon immer streng hierarchisch durch strukturiert und die völkische, nationalistische Ideologie ist nicht nur Bestandteil der Geschichte, sondern auch der Gegenwart. Der Ursprung als militärische Einheit wird immer wieder im Uniformismus und in der Affinität zu Gewalt deutlich, die noch heute gewahrt werden. Gehorsam und Durchalten wird im strikten Regelwerk und durch die streng autoritäre Struktur eingeübt – diese sind Grund genug zur Kritik.

Zu verschiedenen Überschneidungen mit der extremen Rechten mehr: Hier.

Sammelbecken der Rechten und kulturelles Erbe muss keineswegs im Widerspruch zueinander stehen: Die bürgerlichen Revolutionäre der Burschenschaften gehören natürlich mit zur Einigungs- und Demokratiebewegung der deutschen Geschichte. Die Korporationen können allemal auf eine traditionsreiche Vergangenheit zurückblicken: Das Eisenacher Wartburgfest 1817, das Hambacher Fest im Jahre 1832, die Revolution von 1848 – diese Meilensteine auf dem Weg zur nationalen Einheit Deutschlands hätte es ohne die Burschenschaftsbewegung vielleicht gar nicht gegeben.

Burschenschaften haben dabei eine wichtige Rolle gespielt, doch zu sagen bleibt, dass das burschenschaftliche Weltbild auf Hirarchien, Autorität und einem rückständigen dualistischem Geschlechterbild basiert. Ihr überkommener Traditionalismus und die elitäre Seilschaftenbildung steht in einer problematischen, unaufgearbeiteten und überholten Tradition mit bedenklicher Nähe zur extremen Rechten. Ihre Wertvorstellungen bilden immer wieder eine offene Grenze nach Rechts. Zudem gibt es bis heute keine glaubhafte Distanzierung von Neonazis in eigenen Reihen -genauso wenig haben sie sich bislang ernsthaft mit Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus ihrer eigenen Geschichte auseinandergesetzt.